Wissenschaft und Gott

Es ist wie im Zusammenleben der Menschen untereinander sonst auch (1): mit gegenseitigem Respekt, Freundlichkeit und Wohlwollen wird man auch große Unterschiede überbrücken können. Unter solchen Vorzeichen läßt es sich durchaus auch diskutieren, die Sache mit Wissenschaft und Gott und so. Fügen wir noch einen guten Schuß sich-selbst-hinterfragen hinzu, dann könnte es sehr interessant werden. Leider lassen VertreterInnen beider Seiten (!) den nötigen Respekt immer wieder vermissen. Das ist nicht der Fall beim Artikel „Zum Verhältnis von Glauben, Philosophie und Naturwissenschaft“ von 2018 Stephan Schleim. Er denkt über das Ende von Christian Hoppe´s Blog WIRKLICHKEIT und die Schwierigkeiten im Dialog von Wissenschaft und Religion nach:

„In diesem Zusammenhang sei noch einmal daran erinnert, dass auch Studierende verschiedener Wissenschaften einschließlich der Naturwissenschaften an eine Seele glauben und/oder religiöse Überzeugungen haben (Hirnforschung oder Religion: Wer ist hier Dualist?). Aus eigener Erfahrung kann ich zudem bestätigen, dass auch manche Professoren aus den Naturwissenschaften solche Überzeugungen haben. Anders als der hochbetagte John Eccles (Nobelpreis für Physiologie oder Medizin, 1963), stellten sie sich damit aber nicht auf Konferenzen vor ihre Kollegen. Wohl aus Angst, danach von der Fachwelt nicht mehr ernst genommen zu werden.“ => zum Artikel

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Interview mit Quantenphysiker Anton Zeilinger „Den lieben Gott kann man nicht entdecken““

„profil: Die Biologin Renée Schröder sieht das anders. Sie sagt: Die Wissenschaft hat sich vor 300 Jahren von der Religion befreit. Die Religion ist irrational. Glauben steht diametral zur Wissenschaft.
Zeilinger: Na ja, auch Frau Schröder muss einiges in ihrer Wissenschaft glauben, wie eben die Gültigkeit der Naturgesetze. Die kann man nie beweisen, höchstens widerlegen. Und Atheist sein heißt ja auch glauben – eben daran, dass es keinen Gott gibt. Auch das ist keine beweisbare Position.“

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Die Wissenschaft ist neutral(?)

Die Geschichte hat leider gezeigt, dass dem nicht so ist. Herausragendstes und scheußlichstes Beispiel: Wissenschaft(ler) im Dienste der Nazis. Die Ideologie der Nationalsozialisten bediente sich der Wissenschaft und ihrer Ausdrücke gerne, baute auf ihnen und ließ sich mittels wissenschaftlich bewiesener Fakten legitimieren: Und eine Armee von Wissenschaftlern machte emsig mit, baute ihre Karriere gemeinsam mit dem Reich auf.

Bestimmte Menschen waren nicht gut genug: Juden, Slawen, Homosexuelle, Zigeuner, etc. Der Mensch wurde vor allem an seiner Nützlichkeit gemessen, an seiner Gesundheit, an seiner Bedeutung für die Herde (wird er gute Eigenschaften weitergeben an die nächste Generation?). Begriffe, die heutigen Ideen -nicht nur der Evolution- verdammt nahe stehen. Aber das ist hier nicht Thema. Thema ist, dass Herrscher und Ideologien sich der Wissenschaft, ihrer Vertreter, ihrer Ideen und Begriffe bedienen. So wie auch die Kunst denen dient, die herrschen: weil sie das Geld haben und die Macht. So erfand das Genie Da Vinci etwa für die, die ihn zahlen konnten, unzählige, geniale Maschinen zur effektiveren Kriegsführung. Wußte er etwa nicht, was er tat? Selbstverständlich wußte er es, konnte die Folgen für die Menschen abschätzen, dennoch tat er es.

„Zwar lehnt Leonardo den Krieg als „bestialischen Irrsinn“ ab- doch im Bewerbungsschreiben an Ludovico Sforza rühmt er sich weitschweifig seiner Tugenden als Militäringenieur (…). Arglos ersinnt er Methoden, das Töten zu rationalisieren: explosive Kanonenkugeln, gigantische Armbrüste, Gefährte mit rotierenden Sensen, die den Feind in Stücke säbeln. Und Geschützreihen, die wie ein Maschinengewehr ohne Pause feuern können. Leonardo denkt sich Nagelbomben aus, Gifte (…), auch chemische Kampfstoffe wie den „tödlichen Rauch“(…). (…) Doch nicht Blutrünstigkeit ist es, die Leonardos Eifer antreibt, sondern die moralfreie Erfassung von Information. Wo liegt schließlich der Unterschied, ob man die Welterkenntnis in einem Bildraum organisiert oder in einer Kanone mit mehreren Rohren? (…) Der Informationshunger da Vincis ist technisch und unparteiisch; er nimmt keine Rücksicht auf Glauben und Ideologien. (…) Zum Ende seines Lebens erkennt Leonardo sich als Gerät – als Geschöpf aus Menschenhand, der Willkür seiner Dienstherren ausgeliefert auf Gedeih und Verderb.“ aus: Geo Juni 2006 „Leonardos Leben: Von der Leidenschaft, die ganze Welt zu erkennen.“

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Wissenschaft kann alles erklären: d.h. sie ist ausreichend, um alles zu erklären. Warum dies nicht stimmen kann:

  • „Beobachtetes und Beobachter“ bilden eine Einheit und beeinflussen sich gegenseitig,
  • wir wirken in der Welt gleichzeitig als „eigener Darsteller, Regisseur und Publikum“
  • wir bilden mit der Natur, dem Universum, eine EINHEIT. (2)
  • Sie kann Phänomene aufzählend beschreiben- aber sie kann niemals das Ganze beschreiben. Nicht einmal einen kleinen Teil des Ganzen kann sie erfassen, denn alles ist in Systemen organisiert, die miteinander in Verbindung stehen; und der Mensch ist immer noch dabei, neue Systeme zu entdecken. Potenziert sich die Möglichkeit an Verbindungen mit der Anzahl der Systeme? Wir wissen es nicht, aber die Anzahl der Verbindungen (und damit gegenseitigen Beeinflussungen) muß unendlich sein.
  • Das WARUM exisiert nicht nur auf einer Ebene: Wenn wir fragen, warum das Teewasser kocht, läßt sich leicht beobachten, dass das Wasser im Kessel auf dem Herd mittels Hitze erhitzt wird, bis es nach dem Zufügen von soundsoviel Energie zu kochen anfängt. Das sagt uns aber nichts darüber, dass Tante Emma uns den Tee zum Kuchen servieren will, weil wir Geburtstag haben- und das ist für uns im Moment wohl die bedeutsamere Erklärung…
    Und wenn eine uns wichtige Person krank ist, möchten wir wissen, was los ist, ob irgendetwas helfen kann- aber wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind und der Tod feststeht, werden wir andere Fragen haben. Die Information, dass der Mensch wieder zu Erde wird, wird uns kaum genügen.

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Anton Zeilinger, ein österreichischer Quantenphysiker

=> QUANTINGER, Zeilingers Weblog, hier zum Thema „Gott und die Naturwissenschaften“

=> im Artikel „Es stellt sich letztlich heraus, dass Information ein wesentlicher Grundbaustein der Welt ist“ meint Zeilinger: „Es stellt sich letztlich heraus, dass Information ein wesentlicher Grundbaustein der Welt ist. Wir müssen uns wohl von dem naiven Realismus, nach dem die Welt an sich existiert, ohne unser Zutun und unabhängig von unserer Beobachtung, irgendwann verabschieden.“

=> Presse-Artikel „Zufall ist, wo Gott inkognito agiert“

(1) Es sei hiermit auf das schöne Buch „Die Geschichte vom Christen Theodor und seinem Freund, dem Juden Abraham“ von Nikolai Leskow hingewiesen.

(2) https://akademieintegra.wordpress.com/about/